Auswirkungen des beruflichen Wandels auf Menschen mit Seheinschränkungen

Ergebnisse der Umfrage im Rahmen des Projekts agnes@work

Im November 2020 hat das Team des DVBS-Projekts agnes@work zur Teilnahme an der Online-Umfrage „Auswirkungen des digitalen Wandels an Arbeitsplätzen von Menschen mit Seheinschränkung“ aufgerufen. Im Zeitraum Dezember 2020 bis Februar 2021 haben über 400 Personen den entsprechenden Internet-Fragebogen auf der Plattform SurveyMonkey ausgefüllt. Verbunden mit einem herzlichen Dank für die rege und engagierte Teilnahme sowie die zahlreichen konstruktiven Rückmeldungen, möchten wir nun über die Hintergründe, vor allem aber über die Ergebnisse der Befragung berichten.

Die Hintergründe

Blinde und sehbehinderte Berufstätige sind vom rasanten Wandel in der Arbeitswelt in besonderer Weise betroffen. Jede technisch und/oder organisatorisch bedingte Veränderung trifft diesen Personenkreis mehr als die nichtbehinderten Kolleginnen und Kollegen. Die Gesamtzahl von schätzungsweise 70 000 berufstätigen Menschen mit einer mindestens wesentlichen Seheinschränkung in Deutschland ist zwar beachtlich, trotzdem gibt es viele Unternehmen, in denen nur eine einzige Person mit Blindheit oder Sehbehinderung tätig ist. Wer in einem solchen „Einzelkampf“ nicht über eine ausgeprägte Fähigkeit zum Selbst-Management und ein dichtes Netzwerk inner- und außerbetrieblicher Unterstützer verfügt, läuft Gefahr, in Zeiten des rasanten Wandels in der Arbeitswelt beruflich unter die Räder zu kommen.

Vor diesem Hintergrund ist Mitte 2020 im Deutschen Verein für Blinde und Sehbehinderte in Studium und Beruf (DVBS) das Projekt agnes@work gestartet. agnes@work steht für „Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige – Beratungs- und Kompetenznetzwerk am Arbeitsplatz“. Dieses auf drei Jahre ausgelegte, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds geförderte Vorhaben führt der DVBS zusammen mit Partnern wie der Deutschen Blindenstudienanstalt, Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken, beruflichen Interessenvertretungen schwerbehinderter Menschen sowie Leistungs- und Kostenträgern durch.

Eines der Kernziele von agnes@work ist angesichts der geschilderten Ausgangssituation die individuelle, passgenaue Stärkung und Potenzialentwicklung berufstätiger Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung vor Ort an ihrem Arbeitsplatz. „Stärkung“ meint dabei Maßnahmen, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im aktuellen Job beitragen. Unter „Potenzialentwicklung“ werden solche Prozesse gefasst, an deren Ende ein beruflicher Aufstieg oder ein Jobwechsel stehen kann.

Die von agnes@work vorgeschlagenen, durchgeführten und begleiteten Angebote sind inklusiv angelegt; sie beziehen neben den unmittelbar Betroffenen sämtliche sonstige Beteiligte von Anfang an mit ein. Das können so unterschiedliche Akteure wie Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte, Personal- und Schwerbehindertenvertretungen sowie externe gesetzliche Leistungsträger (Arbeitsagenturen, Jobcenter, Renten- und Unfallversicherungen, Integrationsämter) sein. Um seine Leistungen im gesamten Bundesgebiet vor Ort an Schwerbehinderten-Arbeitsplätzen anbieten zu können, ist das Team von agnes@work gerade dabei, ein überregionales multiprofessionelles Kompetenznetzwerk von Fachleuten aus den Bereichen Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation, Barrierefreiheit, berufliche Teilhabe, Job Coaching, Bildungs- und Leistungsberatung aufzubauen.

Eine Umfrage zur Situation am Arbeitsplatz

Ein Restaurant genau dort zu eröffnen, wo viele hungrige Leute vorbeikommen, ist eine gute Idee. Dazu gehört aber, vor dem Schreiben der Speisekarte die Menschen zu fragen, was sie denn am Liebsten essen. Genau dies haben wir uns im übertragenen Sinne im agnes@work-Arbeitsbereich, der für Unterstützungsangebote vor Ort zuständig ist, zu Herzen genommen. Bevor wir mit dem Aufbau unseres bundesweiten Beratungs- und Kompetenznetzwerks begonnen haben, untersuchten wir deshalb mit Hilfe einer breit angelegten Online-Umfrage insbesondere die Auswirkungen des digitalen Wandels auf blinde und sehbehinderte Berufstätige. Die Studie mit dem Titel „Auswirkungen des digitalen Wandels an Arbeitsplätzen von Menschen mit Seheinschränkung“ nahm die folgenden vier Fragestellungen in den Blick:

  1. Welche Veränderungen erleben blinde und sehbehinderte Berufstätige am häufigsten?
  2. Wirkt sich eine Veränderung negativ, positiv oder neutral auf den Berufsalltag aus?
  3. Wie schwer fällt seheingeschränkten Berufstätigen der Einsatz von Strategien, die geeignet sind, verbreitete Herausforderungen im Berufsalltag zu bewältigen?
  4. Wie werden Einstellungen zur Zuschreibung von Verantwortlichkeiten bei beruflichen Herausforderungen bewertet?

Eckdaten, Demografie und Angaben zur Berufstätigkeit

In die vorliegende Auswertung wurden 402 Fragebogenbearbeitungen einbezogen, die im Zeitraum 30.11.2020 bis 02.02.2021 online auf der Umfrageplattform SurveyMonkey abgegeben wurden. Der Fragebogen enthielt 72 Einzelfragen (im Fachjargon „Items“ genannt) und bot durch die zahlreichen Erläuterungen und zuweilen komplexen Einzelfragestellungen viel Stoff zum Lesen, Nachdenken und Entscheiden. Dass 83,1% (334 von 402 Personen) die Umfrage bis zum Schluss bearbeiteten und durchschnittlich 25 Minuten dafür aufwandten, spricht für ein außerordentliches Engagement im Sinne der Selbsthilfe. Unter den Teilnehmenden befanden sich 46,8% Männer, 52,9% Frauen und 0,3% geschlechterdiverse Personen. Das Durchschnittsalter betrug 46,7 Jahre, die Hälfte der Teilnehmenden war 49 Jahre oder älter. Diese hohen Werte, die sich in vergleichbaren Umfragen häufiger finden, spiegeln die Tatsache wider, dass erworbene Sehbeeinträchtigungen Menschen vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte treffen. Per Selbsteinschätzung stuften sich 42% als blind, 34% als hochgradig sehbehindert und 24% als sehbehindert ein. Insbesondere Personen mit gutem Sehrest dürften damit unterrepräsentiert sein.

Die Teilnehmenden waren im Durchschnitt 21 volle Jahre berufstätig, die Spannweite betrug 0 bis 48 Jahre. Die häufigsten Berufseinstiegsalter waren 20 und 26 Jahre, was den Berufszugang durch Ausbildung einerseits und Studium andererseits abbildet. Im Mittel erfolgte der Berufseinstieg im Alter von 24,8 Jahren, der späteste genannte Einstieg fand mit 53 Jahren statt.

61,6% der Teilnehmenden waren im ersten erlernten Beruf tätig. Rund 75% arbeiteten in Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten, 50,4% sogar in Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Nur 2,3% waren selbständig.

Hilfsmitteleinsatz

Betrachtet man die Gesamtpalette und die Häufigkeit der am Arbeitsplatz eingesetzten Hilfsmittel, verschwimmen starr geglaubte Grenzen zwischen Blindheit und Sehbehinderung sowie entsprechenden Arbeitstechniken: 334 Personen haben über ihren Sehstatus Auskunft gegeben. Von den 195 nicht blinden Personen nutzen 50 Hilfsmittel zur Texterkennung, 42 einen Screenreader bzw. eine Braillezeile und 11 zusätzliche Braillehilfsmittel wie einen Punktschriftdrucker oder ein Braille-Beschriftungsgerät. Umgekehrt setzen von den 139 Teilnehmenden, die sich als blind einstufen, 14 ein Bildschirmlesegerät oder ein Kameralesesystem, 11 Großschriftsoftware oder spezielle Bildschirmeinstellungen und 9 ein Monokular oder eine spezielle Arbeitsplatzbrille ein. Insgesamt verwendet fast je die Hälfte der Befragten ein blinden- oder ein sehbehindertenspezifisches Hilfsmittel für den Computerarbeitsplatz.

Anteil, Richtung und Ausmaß der Betroffenheit von Veränderungen

Im entsprechenden Umfrageteil haben wir 10 Ausgangssituationen vorgestellt, darunter beispielsweise „Unser Unternehmen verfügt über ein Intranet“, „Am Computer setze ich neben dem Betriebssystem und neben Standard-Software wie Textverarbeitung, Mailprogramm und Internetbrowser auch fachspezifische Software (sogenannte Fachanwendungen) ein“ oder „Mir steht eine persönliche Arbeitsplatzassistenz zur Verfügung“. Sofern bereits diese Ausgangssituation nicht zutraf (kein Intranet vorhanden, keine Fachanwendungen und keine Arbeitsassistenz im Einsatz), sollten die Teilnehmenden mit „Unzutreffend“ antworten. Diese Personen wurden dann als „nicht involviert“ klassifiziert. Traf die Ausgangssituation zu, sollte die im zweiten Teil der Aussage geschilderte Veränderung beachtet werden, etwa „Im Vergleich zu früher hat sich die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Intranets für mich verschlechtert“. Das Ausmaß der Veränderung wurde über eine fünfstufige Skala erfasst, die von „Stimmt nicht“ bis „Stimmt vollkommen“ reichte. Alle Personen, die diese Skala zum Antworten verwendeten, wurden als „involviert“ klassifiziert. Inhaltlich schilderten 7 der 10 Aussagen negative Veränderungen (Fachanwendungen sind schlechter bedienbar als früher) und 3 positive Veränderungen („Im Vergleich zu früher bin ich dem Thema Fort- und Weiterbildung gegenüber aufgeschlossener geworden“). Wenn ein negativ formuliertes Item mit einer der drei Wahlmöglichkeiten „Stimmt teilweise“, „Stimmt überwiegend“ oder „Stimmt vollkommen“ beantwortet wurde, werteten wir dies als negative Veränderung. Wurde hingegen ein positiv formuliertes Item mit einer der drei aufgeführten Alternativen beantwortet, galt dies als positive Veränderung.

Ergebnisse: In 6 der 10 vorgegebenen Situationen sind jeweils mehr als 80% der Teilnehmenden involviert. Der höchste Anteil Involvierter ergibt sich für die beiden IT-Aspekte Intranet (88,9%; 321/361) und Fachanwendungen (88,3%; 318/360), gefolgt von den Themen zunehmender Stellenwert von Smalltalk (83,6%; 301/360) und Offenheit für Fort- und Weiterbildung (82,5%; 296/359). Das Thema mit dem geringsten Anteil Involvierter ist die persönliche Arbeitsplatzassistenz (45,3%; 161/355). Tendenziell ergibt sich für IT-Themen eine höhere Involviertheit als für soziale und arbeitsorganisatorische Aspekte.

Nicht nur die Involviertheit an sich, sondern auch die negativen Veränderungen werden von IT-Themen dominiert: 59,1% (188/318) stimmen der Aussage, die Zugänglichkeit der eingesetzten Fachanwendungen habe sich verschlechtert, teilweise, überwiegend oder vollkommen zu. Auf Rang 3 findet sich mit 38,9% (125/321) die Aussage, die Zugänglichkeit des Intranets habe sich verschlechtert. Dazwischen steht auf Rang 2 mit 44,4% (108/243) Negativbewertungen die Aussage „Die Zahl der Termine, zu denen ich Inhalte vor meinem Team oder in der Öffentlichkeit präsentieren muss, hat im Vergleich zu früher zugenommen. Ich fühle mich beim Präsentieren unsicher, weil ich das Gefühl habe, die Reaktionen meines Publikums nicht einschätzen zu können“ – ein eher psychosozialer Aspekt des Berufslebens. Die geringsten negativen Veränderungen zeigen sich beim Thema Arbeitsplatzassistenz: Lediglich 16,1% (26/161) geben an, dass Konflikte mit der Arbeitsplatzassistenz im Vergleich zu früher zugenommen hätten.

Die Rangfolge der Positiv-Veränderungen wird mit 75,2% (200/266) von der Aussage angeführt, dass die Bedeutung von Weiterbildung gestiegen ist und dass entsprechende Maßnahmen in der Praxis bedarfsgerecht absolviert werden konnten. 68,9% (202/293) sagen dies auch für das Thema Fortbildung. 65,9% (195/296) stimmen der Aussage, für Fort- und Weiterbildungen generell offener zu sein als früher, teilweise, überwiegend oder vollkommen zu.

Einen Überblick über die Zustimmung, von den 7 negativen Veränderungen einerseits und den 3 positiven Veränderungen andererseits betroffen zu sein, geben die beiden gestapelten Balkendiagramme in den Abbildungen 1 und 2.

Abbildung 1: gestapeltes Balkendiagramm mit dem Titel "Zustimmung, negativ geprägte Veränderungen erlebt zu haben". Die Anteile „Stimmt vollkommen“, „Stimmt überwiegend“ und „Stimmt teilweise“ wurden zusammengefasst, die Anteile „Stimmt nicht“ und „Stimmt eher nicht“ wurden ebenfalls zusammengefasst. Die Items sind: „Die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit meiner Fachanwendungen hat sich für mich im Vergleich zu früher verschlechtert.“ 59,1% stimmen zu, 40,9% stimmen nicht zu. „Während die Zahl der Termine, zu denen ich Inhalte öffentlich präsentieren muss, im Vergleich zu früher zugenommen hat, fühle ich mich beim Vortragen unsicher, weil ich die Reaktionen meines Publikums nicht einschätzen kann.“ 44,4% stimmen zu, 55,6% stimmen nicht zu. „Im Vergleich zu früher hat sich die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Firmen-Intranets für mich verschlechtert“ 38,9% stimmen zu, 61,1% stimmen nicht zu. „Während im Vergleich zu früher der Smalltalk in unserem Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat, habe ich Schwierigkeiten mit dieser Umgangsform, denn es geht oft um Themen, zu denen ich aufgrund meiner Blindheit/Sehbehinderung kaum Zugang habe.“ 37,2% stimmen zu, 62,8% stimmen nicht zu. „Während in unserem Unternehmen die formelle persönliche Kommunikation (Beispiel: Gruppendiskussion) an Bedeutung gewonnen hat, fühle ich mich beim Reden oft unsicher, weil ich nicht weiß, wie meine Körpersprache wirkt.“ 31,4% stimmen zu, 68,6% stimmen nicht zu. „Während ich mein Unternehmen im Vergleich zu früher häufiger nach außen hin repräsentiere, bin ich mir bei diesen Anlässen oft unsicher, ob ich angemessen gekleidet, frisiert oder geschminkt bin.“ 25,3% stimmen zu, 74,7% stimmen nicht zu. „Arbeitsorganisatorische Veränderungen haben dazu geführt, dass im Vergleich zu früher die Konflikte zwischen mir und meiner persönlichen Arbeitsplatzassistenz zugenommen haben.“ 16,1% stimmen zu, 83,9% stimmen nicht zu.
Abbildung 1: Anteil an Zustimmung, negativ geprägte Veränderungen erlebt zu haben, höchste Zustimmung ganz oben
Abbildung 2: gestapeltes Balkendiagramm mit dem Titel "Zustimmung, positiv geprägte Veränderungen erlebt zu haben". Die Anteile „Stimmt vollkommen“, „Stimmt überwiegend“ und „Stimmt teilweise“ wurden zusammengefasst, die Anteile „Stimmt nicht“ und „Stimmt eher nicht“ wurden ebenfalls zusammengefasst. Die Items sind: „Innerhalb der letzten fünf Jahre habe ich eine Weiterbildung besucht. Diese Weiterbildung konnte so organisiert werden, dass meine speziellen Belange dabei berücksichtigt wurden.“ 75,2% stimmen zu, 24,8% stimmen nicht zu. „Im Vergleich zu früher spielen Fortbildungen in unserem Unternehmen eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Fortbildungen, die ich besuchen muss, können eigentlich immer so organisiert werden, dass dabei meine speziellen Belange berücksichtigt werden.“ 68,9% stimmen zu, 31,1% stimmen nicht zu. „Im Vergleich zu früher bin ich dem Thema Fort- und Weiterbildung gegenüber aufgeschlossener geworden.“ 65,9% stimmen zu, 34,1% stimmen nicht zu.
Abbildung 2: Anteil der Zustimmung, positiv geprägte Veränderungen erlebt zu haben, höchste Zustimmung ganz oben

Bewertung erlebter Veränderungen

Wir haben 22 mögliche berufliche Veränderungen vorgegeben, darunter beispielsweise „Ich kann eigenverantwortlicher arbeiten als früher“, „Wir erledigen mehr Aufgaben im Team als früher“ oder „Meine Vorgesetzten sind mir gegenüber anspruchsvoller geworden bzw. verlangen mir mehr ab als früher“. Alle, die eine Veränderung selbst nicht erlebt haben, sollten darauf mit „Keine Angabe“ antworten. Wie in der Auswertung zum vorangegangenen Umfrage-Abschnitt, wurden diese Personen dann als „nicht involviert“ gekennzeichnet. Wer jedoch von der Veränderung persönlich betroffen war, dem stand zur Bewertung eine fünfstufige Skala zur Verfügung, deren Antwortkategorien von „Bewerte ich vollkommen negativ“ über „Bewerte ich neutral“ bis hin zu „Bewerte ich vollkommen positiv“ reichten. Wer diese Skala nutzte, galt als „involviert“.

Ergebnisse: In 6 der 22 Situationen sind mehr als 80% der Antwortenden involviert. Die zusammenfassende Aussage „In der Gesamtschau bewerte ich den beruflichen Wandel als …“ wird sogar von 96,8% (330/341) bewertet. Die meisten der am häufigsten bewerteten Aussagen betreffen die Komplexität der beruflichen Aufgaben: „Ich habe mehr Online-Kommunikation mit meinen Kolleg*innen als früher“ (86,8%; 303/349), „Ich muss mich häufiger in neue Sachverhalte einarbeiten oder in neue Situationen hineindenken als früher“ (84,8%; 295/348), „Die Software, die ich einsetzen muss, ist komplexer als früher“ (84,8%; 295/348), „Meine Arbeitsaufgaben sind vielfältiger als früher“ (82,6%; 289/350) sowie „Die Anzahl der Computerprogramme, die ich benutzen muss, hat sich im Vergleich zu früher erhöht“ (82,2%; 286/348). Am wenigsten Personen sind ins Thema Arbeitsplatzassistenz involviert: „Ich bin mehr auf persönliche Arbeitsplatzassistenz angewiesen als früher“ (35,7%; 120/336) und „Ich bin weniger auf persönliche Arbeitsplatzassistenz angewiesen als früher“ (23,7%; 80/338).

Um zu ermitteln, ob eine Veränderung generell als eher positiv oder eher negativ gelten durfte, wurden die beiden Antwortkategorien „Eher positiv“ und „Sehr positiv“ zu „Positiv“ sowie die beiden Wahlmöglichkeiten „Seher negativ“ und „Eher negativ“ zu „Negativ“ zusammengefasst. Eine Veränderung wurde als überwiegend positiv bewertet klassifiziert, wenn sie mehr Positiv- als Negativwertungen erhielt und als überwiegend negativ bewertet eingestuft, wenn bei ihr die Zahl der Negativwertungen überwog.

Auf diese Weise entstanden zwei Ranglisten: Eine mit 10 überwiegend positiv bewerteten, eine weitere mit 12 überwiegend negativ bewerteten erlebten Veränderungen.

Ergebnisse: Am häufigsten positiv bewertet wird „Ich kann eigenverantwortlicher arbeiten als früher“ (89,3%; 225/252), gefolgt von der Möglichkeit, im Gegensatz zu früher ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiten zu können (80,2%; 174/217) sowie von der Tatsache, dass die Arbeitsaufgaben vielfältiger geworden sind (67,1%; 194/289). Weniger als früher auf Arbeitsplatzassistenz angewiesen zu sein, rangiert mit 62,5% (50/80) auf Rang 4 der positiven Veränderungen. Nicht nur die größere Vielfalt der Arbeitsaufgaben, sondern auch die gestiegene Zahl neuer Arbeitssituationen stellt sich als positiv bewertete Veränderung heraus (60,3%; 178/295). Als eines der zentralen Befragungsergebnisse kann festgehalten werden, dass auch die allgemein formulierte Aussage „In der Gesamtschau erlebe ich den beruflichen Wandel …“ positiv bewertet wird und in der Positivliste mit 48,8% (161/330) Rang 7 von 10 einnimmt.

Am häufigsten negativ bewertet wird „Der Geräuschpegel in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld ist höher als früher“ (69,0%; 116/168), gefolgt vom Umstand, dass es im Unternehmen immer weniger persönliche Kommunikation gibt (67,1%; 149/222). Dass die eingesetzte Hilfsmittelsoftware häufiger aktualisiert werden muss als früher, halten 64,3% (149/222) für eine schlechte Entwicklung. Während die Tatsache, zunehmend seltener auf Arbeitsplatzassistenz angewiesen zu sein, die viert-positivste Änderung darstellt, ist für einen anderen Teil der Antwortenden der Umstand, häufiger auf persönliche Assistenz angewiesen zu sein als früher, die viert-negativste Entwicklung (61,7%; 74/120). Immer noch mehr als die Hälfte (57,3%; 106/185) bewerten die zunehmende Zahl von Umbauten und Umzügen im Dienstgebäude negativ. Für 47,8% (141/295) stellt die immer komplexer werdende Anwendersoftware eine Negativentwicklung dar.

Einen Überblick über die Angaben zu den 12 überwiegend negativ bewerteten Veränderungen einerseits und den 10 positiv bewerteten Veränderungen andererseits, aufgeschlüsselt nach den Anteilen für negative, positive sowie neutrale Bewertungen, geben die beiden gestapelten Balkendiagramme in den Abbildungen 3 und 4.

Abbildung 3: gestapeltes Balkendiagramm mit dem Titel "Positiv bewertete Veränderungen". Für jedes der zehn Items werden die Anteile der Positiv-, der Neutral- und der Negativ-Bewertungen angegeben. Die Items sind: „Ich kann eigenverantwortlicher arbeiten als früher.“ 89,3% bewerten es positiv, 8,3% neutral, 2,4% negativ. „Ich kann im Gegensatz zu früher ganz oder teilweise von Zuhause aus arbeiten.“ 80,2% bewerten das positiv, 12,0% neutral, 7,8% negativ. „Meine Arbeitsaufgaben sind vielfältiger als früher.“ 67,1% bewerten das positiv, 20,8% neutral, 12,1% negativ. „Ich bin weniger auf persönliche Arbeitsplatzassistenz angewiesen als früher.“ 62,5% bewerten es positiv, 35% neutral, 2,5% negativ. „Ich muss mich häufiger in neue Sachverhalte einarbeiten oder in neue Situationen hineindenken als früher.“ 60,3% bewerten es positiv, 22,4% neutral, 17,3% negativ. „Wir erledigen mehr Aufgaben im Team als früher.“ 53,2% bewerten es positiv, 27,0% neutral, 19,7% negativ. „In der Gesamtschau erlebe ich den beruflichen Wandel als ...“ 48,8% bewerten das positiv, 23,0% neutral und 28,2% negativ. „Ich habe mehr Online-Kommunikation mit meinen Kolleg*innen als früher.“ 39,9% Positiv-Bewertungen, 36,6% neutrale Bewertungen und 23,4% Negativ-Bewertungen. „Meine Vorgesetzten sind mir gegenüber anspruchsvoller geworden bzw. verlangen mir mehr ab als früher.“ 38,6% bewerten das positiv, 36,2% neutral und 25,1% negativ. „Meine (Team-)kolleg*innen sind mir gegenüber anspruchsvoller geworden bzw. verlangen mir mehr ab als früher.“ 38,0% bewerten das positiv, 39,1% neutral und 22,9% negativ.
Abbildung 3: Liste der 10 positiv bewerteten beruflichen veränderungen, am Positivsten bewertete Veränderungen ganz oben
Abbildung 4: gestapeltes Balkendiagramm mit dem Titel "Negativ bewertete Veränderungen". Für jedes der 12 Items werden die Anteile der Negativ-, der Neutral- und der Positiv-Bewertungen angegeben. Die Items sind: „Der Geräuschpegel in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld ist höher als früher.“ 69,0% bewerten das negativ, 28,6% und 2,4% positiv. „Ich habe weniger persönliche Kommunikation mit Kolleg*innen als früher.“ 67,1% bewerten das negativ, 26,1% neutral und 6,8% positiv. „Meine Computerhilfsmittel müssen häufiger aktualisiert bzw. angepasst werden als früher.“ 64,3% bewerten es negativ, 23,8% neutral und 11,9% positiv. „Ich bin mehr auf persönliche Arbeitsplatzassistenz angewiesen als früher.“ 61,7% Negativ-Bewertungen, 30,8% Neutral- und 7,5% Positiv-Bewertungen. „Innerhalb meines Dienstgebäudes wird häufiger umgezogen und umgebaut als früher.“ 57,3 bewerten das negativ, 36,8% neutral und 5,9% positiv. „Die Software, die ich einsetzen muss, ist komplexer als früher.“ 47,8% bewerten das negativ, 34,2% neutral und 18,0% positiv. „Meine direkten Ansprechpartner im Unternehmen wechseln häufiger als früher.“ 46,2% bewerten es negativ, 42,4% neutral und 11,4% positiv. „Mein Arbeitsweg ist mobilitäts-technisch komplexer als früher.“ 44,0% Positiv-Bewertungen, 43,5% neutrale Bewertungen und 12,5% positive Bewertungen. „Ich teile mein Büro mit mehr Personen als früher.“ 39,9% empfinden das als negativ, 31,9% neutral und 28,3% positiv. „Die Anzahl der Computerprogramme, die ich benutzen muss, hat sich im Vergleich zu früher erhöht.“ 37,1% bewerten das negativ, 33,2% neutral und 29,7% positiv. „Hinsichtlich meiner Computerhilfsmittel muss ich mich häufiger weiterbilden als früher.“ 33,5% bewerten das negativ, 39,1% neutral, 27,4% positiv. „Weil wir zunehmend an wechselnden Orten in unserem Unternehmen eingesetzt werden, herrscht in Fluren, Treppenhäusern und Fahrstühlen mehr Betrieb als früher.“ 27,7% bewerten das negativ, 57,4% neutral und 14,9% positiv.
Abbildung 4: Liste der 12 negativ bewerteten beruflichen Veränderungen, am Negativsten bewertete Veränderung ganz oben

Schwierigkeiten beim Anwenden von Problemlösestrategien

Im dritten Hauptteil der Umfrage wurden 12 Strategien zum Anpacken kleinerer und größerer beruflicher Herausforderungen vorgestellt. Die Teilnehmenden sollten einschätzen, wie schwer ihnen das Einsetzen der entsprechenden Strategie fällt. Hierzu stand eine fünfstufige Skala mit Antwortkategorien von „Fällt mir sehr leicht“ bis „Fällt mir sehr schwer“ zur Verfügung.

Für eine überblicksartige Auswertung wurden die beiden Antwortmöglichkeiten „Sehr leicht“ und „Eher leicht“ zu „Leicht“, sowie die drei Kategorien „Mittelschwer“, „Eher schwer“ und „Sehr schwer“ zu „Schwer“ zusammengefasst.

Ergebnisse: Anhand der geschilderten Zweiteilung besteht die schwierigste Strategie darin, bei Konflikten mit Kolleg*innen Vorgesetzte einzubeziehen (66,0%; 215/326). 61,4% (205/334) fällt es schwer, in Gruppensituationen darum zu bitten, stärker in die gemeinsamen Aktivitäten einbezogen zu werden. Für 54,4% (181/333) stellt es eine schwere Herausforderung dar, Vortragende bei laufender Präsentation um eine angemessene Verbalisierung der visuell dargebotenen Inhalte zu bitten. Auch haben 53,1% (172/324) Schwierigkeiten damit, bei Konflikten mit Vorgesetzten die Personal- oder Schwerbehindertenvertretung einzuschalten.

Hingegen fällt es 77,2% (261/338) leicht, mit Kolleg*innen und Vorgesetzten über ihre Sehbehinderung zu sprechen. 71,3% (239/335) sehen es als geringe Herausforderung an, Referent*innen im Vorfeld einer Veranstaltung um die Bereitstellung barrierefreier Unterlagen zu bitten. 70,6% (233/330) haben keine besonderen Schwierigkeiten damit, bei Problemen mit ihren Arbeitsplatzhilfsmitteln die zuständigen Kostenträger oder Hilfsmittelfirmen einzuschalten.

Sieht man von den beiden Items „Mich bei Konflikten mit meinen Kolleg*innen an meine Vorgesetzten zu wenden“ und „Mich bei Konflikten mit meinen Vorgesetzten an die Schwerbehinderten- oder Personalvertretung zu wenden“ ab, so gilt für die 10 übrigen Strategien: Je geringer das Sehvermögen, desto leichter fällt die Anwendung. Grob ließe sich sagen: Blinde Menschen haben im Arbeitsalltag weniger Hemmungen, als hochgradig sehbehinderte und sehbehinderte Personen, um Hilfeleistungen und Unterstützung zu bitten.

Einen Überblick über den eingeschätzten Grad der Schwierigkeit, von den 12 geschilderten Strategien Gebrauch zu machen, gibt das gestapelte Balkendiagramm in Abbildung 5.

Abbildung 5: gestapeltes Balkendiagramm zum Thema "Anwenden von Strategien". Die Anteile „Fällt sehr leicht“ und „Fällt eher leicht“ wurden zusammengefasst, die Anteile „Fällt schwer“, „Fällt eher schwer“ und „Fällt mittelschwer“ wurden ebenfalls zusammengefasst. Die Items sind: „Mit Kolleg*innen oder Vorgesetzten über meine Sehbehinderung zu sprechen.“ 77,2% fällt das leicht, 22,8% fällt es schwer. „Veranstalter im Vorfeld um das Bereitstellen barrierefreier Unterlagen zu bitten.“ 71,3% fällt es leicht, 28,7% fällt es schwerer. „Mich bei technischen Problemen mit meinen Hilfsmitteln an die zuständige Hilfsmittelfirma bzw. an meinen Kostenträger zu wenden.“ 70,6% fällt es leicht, 29,4% fällt es schwerer. „Meine Kolleg*innen zu bitten, mir eben schnell mal etwas vorzulesen, das auf einem Zettel oder an einer Pinnwand steht.“ Fällt 66,7% leicht und 33,3% schwer. „Meine Kolleg*innen zu bitten, mir eine Bildschirmsituation so zu beschreiben, dass ich sie verstehen kann.“ Fällt 61,5% leicht und 38,5% schwer. „Unbekannte Kolleg*innen um Hilfe zu bitten, wenn ich mich in meinem Dienstgebäude oder auf dem Firmengelände einmal verlaufen habe.“ Fällt 60,6% leicht und 39,4% schwer. „Kolleg*innen oder Vorgesetzte bei einer anstehenden Fortbildung bzw. bei einem Betriebsausflug darum zu bitten, mich mit dem Auto mitzunehmen.“ Fällt 58,6% leicht und 41,4% schwer. „Kolleg*innen und Vorgesetzten zu erläutern, dass ich bestimmte Tätigkeiten aufgrund meiner Sehbehinderung nicht oder nur bedingt ausüben kann.“ Fällt 57,7% leicht und 42,3% schwer. „Mich bei Konflikten mit meinen Vorgesetzten an die Schwerbehinderten- oder Personalvertretung zu wenden.“ Fällt 46,9% leicht und 53,1% schwer. „Eine Person während ihres Vortrags darum zu bitten, einen Sachverhalt für mich bedarfsgerecht verbal zu erläutern.“ Fällt 45,6% leicht und 54,4% schwer. „In Gruppensituationen darum zu bitten, mich stärker aktiv ins Geschehen einzubinden.“ Fällt 38,6% leicht und 61,4% schwer. „Mich bei Konflikten mit meinen Kolleg*innen an meine Vorgesetzten zu wenden.“ Fällt 34,0% leicht und 66,0% schwer.
Abbildung 5: Wie leicht fällt das Anwenden von 12 vorgegebenen Strategien, am leichtesten umsetzbare Strategie ganz oben

Einstellungen zu Verantwortlichkeiten

Im letzten Hauptabschnitt der Umfrage wurden 9 Aussagen präsentiert, die Zuschreibungen von Verantwortlichkeit beinhalten, etwa „Wenn es Probleme im Zusammenspiel zwischen den von mir benutzten Programmen und meinen Computerhilfsmitteln gibt, dann ist das Sache der IT-Abteilung und der Hilfsmittelfirma“. Die Antwortenden wurden gebeten, auf einer fünfstufigen Skala den Grad ihrer Zustimmung anzugeben. Die Antwortkategorien reichten von „Lehne ich vollkommen ab“ über „Beurteile ich neutral“ bis hin zu „Stimme ich vollkommen zu“.

Für eine überblicksartige Auswertung wurden die beiden Antwortkategorien „Lehne ich vollkommen ab“ und „Lehne ich eher ab“ zu „Ablehnung“, sowie die beiden Wahlmöglichkeiten „Stimme ich eher zu“ und „Stimme ich vollkommen zu“ zu „Zustimmung“ zusammengefasst.

Ergebnisse: Am meisten Zustimmung erfahren die drei Aussagen „Ich versuche, mich möglichst umfassend in die Funktionen meiner Computerhilfsmittel einzuarbeiten, damit ich unsere IT und die Hilfsmittelfirma bei Problemen umfassend unterstützen kann“ (79,0%; 264/334), „Wenn ich neue Aufgaben bekomme, versuche ich immer möglichst selbst, mir das nötige Material zur Einarbeitung zu suchen, weil ich ja am besten weiß, welches Material für mich geeignet ist“ (75,7%; 255/337) sowie „Wenn meine Vorgesetzten möchten, dass ich mit anderer Software arbeite, dann sind sie auch dafür verantwortlich, dass ich sehbehinderten- bzw. blindengerecht darin geschult werde“ (62,3%; 208/334).

Am Häufigsten abgelehnt werden die drei Aussagen „Es ist nicht meine Aufgabe, meiner Arbeitsplatzassistenz zu erklären, wie sie mich bei der Arbeit am Computer unterstützt – das sollen Experten einer Hilfsmittelfirma oder Reha-Einrichtung tun“ (69,4%; 215/310), „Habe ich Konflikte mit meinen Vorgesetzten, schalte ich sofort die Personal- oder Schwerbehindertenvertretung ein, denn die sind für so etwas ja zuständig“ (64,4%; 213/331) sowie „Wenn ein Betriebsausflug ansteht, und ich nicht im Vorfeld genau planen kann, wer mich dort unterstützt, dann nehme ich nicht daran teil“ (44,3%; 147/332).

Zusammenfassung, Diskussion, Fazit

Dank der Umfrage ist es gelungen, der unscharfen Aussage „Menschen mit Seheinschränkung sind in besonderer Weise von den Umwälzungen in der Arbeitswelt betroffen“ Konturen zu verleihen. Es zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Einerseits sind im Bereich digitale Barrierefreiheit angesichts abnehmender Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Software und Webseiten Verschlechterungs-Tendenzen klar zu erkennen; zunehmender Lärm am Arbeitsplatz, häufigere Umzüge und Umbauten im Dienstgebäude, verstärkte Abhängigkeit von persönlicher beruflicher Assistenz, abnehmender Stellenwert persönlicher Kommunikation, vermehrter Wechsel der direkten Ansprechpersonen, größere Komplexität des Arbeitswegs, Notwendigkeit zu Updates der Hilfsmittel in immer kürzeren Abständen sowie höhere Komplexität der genutzten Software sind Veränderungen arbeitsorganisatorischer und psychosozialer Faktoren, die besonders negativ bewertet werden. Gerade auf diesen Gebieten ergibt sich für agnes@work ein lohnendes Handlungsfeld zur Teilhabestärkung und Anbahnung positiver Entwicklungen. Andererseits offenbart sich ein breites Spektrum gesundheits- und arbeitsförderlicher Einstellungen sowie persönlicher beruflicher Potenziale:

In der Gesamtschau wird der Wandel in der Arbeitswelt häufiger positiv als negativ empfunden (48,8% gegenüber 28,2%). Die Bereitschaft zur beruflichen Weiterentwicklung hat bei 65,8% der Umfrageteilnehmenden deutlich zugenommen. Sofern bewältigbar, werden zunehmende Komplexität von Arbeitsaufgaben, steigende Ansprüche seitens Kolleg*innen und Vorgesetzter sowie eine größere betriebliche Verantwortung eher positiv als negativ bewertet. Die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen gestaltet sich überwiegend problemlos. Einstellungen, die eigenes, aktives Handeln hervorheben, erfahren breite Zustimmung; solche, die Zuständigkeiten an dritte Personen oder Institutionen delegieren, werden eher abgelehnt.

Obwohl sie breit angelegt ist und von über 400 Personen beantwortet wurde, hat die Umfrage nicht den Anspruch, repräsentativ für sämtliche berufstätige Menschen mit Seheinschränkung zu sein. Die Idee zu dieser Erhebung ist aus der Notwendigkeit heraus entstanden, Informationen über die Nachfrage einzuholen, bevor agnes@work konkrete Angebote macht. Wo Maßnahmen zur beruflichen Teilhabestärkung und zur Potenzialentwicklung am Arbeitsplatz ansetzen müssen, hat die Studie klar herausgearbeitet.

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Oliver Nadig ist Rehabilitationslehrer für EDV und elektronische Hilfsmittel im Beratungs- und Schulungszentrum (BSZ) der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) und für das Projekt agnes@work Mitarbeiter im Bereich Potentialentwicklung am Arbeitsplatz. Der 48-Jährige hat in den 1990er Jahren Psychologie und Informatik in Marburg studiert. Er engagiert sich außerdem in der überregionalen Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe.