agnes@work-Fachtagung:
Perspektiven der digitalen Arbeitswelt – Beschäftigungs- und Weiterbildungschancen für Menschen mit Behinderungen

Am 25. April 2023 veranstalteten der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. und agnes@work – Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige – die Fachtagung „Perspektiven der digitalen Arbeitswelt – Beschäftigungs- und Weiterbildungschancen für Menschen mit Behinderungen“ in Berlin.

Mehr als 100 Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und der Selbsthilfe erörterten die Beschäftigungsperspektiven von Menschen mit Behinderungen und die Voraussetzungen inklusiver Arbeit und Weiterbildung.

Mit der Fachtagung „Perspektiven der digitalen Arbeitswelt“ zeigten der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und sein Projekt agnes@work: Die Stärkung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen muss weiter auf der Agenda von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen, um gleiche Chancen und Rechte für alle zu ermöglichen.

Foto: Ein Publikum auf einer Fachtagung hört einer Moderatorin zu.

Hintergrund und Ziel der Tagung

2017 gab es in der Bundesrepublik rund 3,1 Millionen schwerbehinderte Menschen im erwerbsfähigen Alter. Ihre Teilhabe am Erwerbsleben ist nach wie vor erheblich steigerungsbedürftig: Während die allgemeine Erwerbstätigenquote 75,6 % % betrug, lag die Quote der schwerbehinderten Menschen bei 47,8% (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2022). Noch niedriger fiel sie bei den blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen mit 26% aus (REHADAT). In anderen Worten: Bei den Schwerbehinderten im Alter zwischen 15 und 65 Jahren ist nur jeder Zweite, bei den Sehbehinderten und Blinden ist nur jeder Vierte im Erwerbsleben aktiv.

Die Grundlagen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben sind in § 164 SGB IX formuliert: „Die Arbeitgeber stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann.“

Aber was sind die geeigneten Maßnahmen? Die Selbsthilfe macht immer wieder die Erfahrung: Obwohl der gesetzliche Rahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben viele Möglichkeiten eröffnet, funktioniert die Umsetzung nicht. So ist der Weg zu Unterstützungsleistungen oft sehr bürokratisch; gesetzliche Vorgaben zur Barrierefreiheit werden vielfach nicht eingehalten.

Aber die Selbsthilfe erhebt hier nicht nur Forderungen, sie bietet Expertise und Hilfestellung.

Nachhaltig wirksam werden kann ihre Unterstützung nur, wenn der politische Wille gegeben ist, die Inklusion im Arbeitsleben voranzubringen. Die Fachtagung sollte daher auch die Politik ansprechen und einbinden – beteiligt haben sich Kerstin Griese, Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, und Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen.

Statements aus der Politik

Kerstin Griese betonte die Notwendigkeit, gleiche Chancen für Menschen mit Behinderungen auf Beschäftigung zu schaffen. Dazu brauche es politische Weichenstellungen, wie das aktuelle Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts. Aber auch solche praktischen Projekte wie agnes@work seien wichtig, die zielgerichtet und ergänzend am Arbeitsplatz ansetzten und die Beschäftigten unterstützten. So sei das vom Projekt entwickelte Konzept der multiprofessionellen Teams zur Unterstützung am Arbeitsplatz ein wichtiger Beitrag für die Teilhabe sehbeeinträchtigter Menschen am Arbeitsleben.

Ausführlicher ging Kerstin Griese auf den aktuell vorliegenden Gesetzentwurf der Regierungskoalition zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts ein. Ziel sei es, durch zielgenauere Unterstützung mehr schwerbehinderten Menschen den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu öffnen. Kernstück sei die Einführung einer vierten Staffel der Ausgleichsabgabe, mit der auf die 45.000 Unternehmen in der Bundesrepublik eingewirkt werden soll, die bisher keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen.

Foto: Die Staatssekretärin Kerstin Griese spricht vorm Publikum der Fachtagung.

Jürgen Dusel nahm ihre Ausführungen auf und betonte, dass damit ein erster Schritt in die richtige Richtung unternommen werde. Aber es müsse weitergehen, denn viele Aspekte einer gleichberechtigten Teilhabe würden nicht angegangen. Zwar sei die vierte Staffel der Ausgleichsabgabe, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vorgesehen ist, positiv zu bewerten und könne die Motivation stärken, schwerbehinderte Menschen einzustellen. Es sei aber ein falsches Signal, den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit, aufgrund dessen Bußgelder bei schuldhafter Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht verhängt werden können, zu streichen. Besser sei es, mit der Durchführung der Bußgeldverfahren nicht wie bisher die Bundesagentur für Arbeit (BA), sondern den Zoll zu betrauen. Es gehe um die Umsetzung geltenden Rechts und es gelte, „Null Verständnis für Nullbeschäftiger“ zu zeigen.

Foto: Jürgen Dusel spricht vor dem Publikum der Fachtagung.

Einführungsvortrag

Professor Jan Paul Heisig vom Wissenschaftszentrum Berlin warf in seinem einleitenden Vortrag zu Beschäftigungsperspektiven von Menschen mit Behinderungen die Frage auf, ob allein der Markt für Lösungen sorgen könne oder ob Regelungsbedarf bestehe.

Sein Vortrag gliederte sich anhand von zwei Leitfragen: Zunächst ging es um eine Beschreibung des Status quo: Wie steht es um Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Bundesrepublik? Zum zweiten waren der Megatrend Digitalisierung und der Fachkräftemangel Thema, indem die Frage gestellt wurde, welche Chancen und Risiken sich daraus für die Entwicklung des Arbeitsmarkts ergeben.

Foto: Herr Dr. Heisig bei seinem Vortrag

Professor Jan Paul Heisig vom Wissenschaftszentrum Berlin warf in seinem einleitenden Vortrag zu Beschäftigungsperspektiven von Menschen mit Behinderungen die Frage auf, ob allein der Markt für Lösungen sorgen könne oder ob Regelungsbedarf bestehe.

Sein Vortrag gliederte sich anhand von zwei Leitfragen: Zunächst ging es um eine Beschreibung des Status quo: Wie steht es um Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Bundesrepublik? Zum zweiten waren der Megatrend Digitalisierung und der Fachkräftemangel Thema, indem die Frage gestellt wurde, welche Chancen und Risiken sich daraus für die Entwicklung des Arbeitsmarkts ergeben.

Er betonte die Notwendigkeit der Evaluation von Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe. Hintergrund seiner Ausführungen waren die repräsentativen Ergebnisse der Erhebungen zur Lebens- und Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen (BMAS). Sie zeigten zum einen, welche Chancen auf gesellschaftliche und berufliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen aufgrund veränderter Arbeitsweisen und der Digitalisierung bestehen, aber auch welche Nachteile gegenüber der Gruppe der Nichtbehinderten in Kauf genommen werden müssen, etwa bei der Beschäftigungssituation oder der Weiterbildungsbeteiligung. Darüber hinaus erlauben die Daten auch spezifische Einblicke bezogen auf die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe nach Art der Behinderung, etwa im Hinblick auf den Personenkreis in Einrichtungen. Sein Fazit lautete: Insgesamt muss die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verstärkt in den Fokus genommen und unterstützt werden. Dabei seien jedoch die Beschäftigungsmöglichkeiten und Lebensbedingungen der unterschiedlichen Gruppen von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen, denn hier zeigen sich disparate Entwicklungen und Beteiligungschancen.

Präsentation zum Vortrag von Professor Jan Paul Heisig (PDF)

Podiumsdiskussion

Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, aus der Behindertenselbsthilfe sowie dem professionellen Unterstützungssektor sind der Frage nachgegangen: Wie können Förderung, Arbeitsorganisation und Unterstützungsleistungen gestaltet und koordiniert werden, um berufliche Teilhabe für behinderte Menschen in der agilen und digitalisierten Arbeitswelt zu gewährleisten?

Mit der Moderatorin Dörte Maack diskutierten auf dem Podium:

  • Otfrid Altfeld, Zentrum für berufliche Bildung, blista Marburg
  • Birgit Eiber, Leiterin Koordinierungsstelle Inklusion in der BA und am Arbeitsmarkt bei der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg
  • Markus Ertl, Inklusionsbotschafter, Lenggries
  • Dr. Jan Paul Heisig, Wissenschaftszentrum Berlin
  • Roman Jaich, Leiter des Bereichs Bildungspolitik bei ver.di, Berlin
  • Christiane Möller, Rechtsreferentin und stellv. Geschäftsführerin Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), Berlin
  • Herbert Rüb, Projektleiter agnes@work.
Foto: Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion sitzen in einer Reihe auf der Bühne.

Schlaglichter aus der Diskussion

Erfahrungen mit neuen Arbeitsformen

In einer Befragung, die agnes@work zu Projektbeginn unter sehbeeinträchtigten Berufstätigen durchgeführt hat, gaben die meisten Befragten an, mit neuen Arbeitsformen zufrieden zu sein, insofern sie eigenständiges Arbeiten und Kommunikation förderten. Negativ sei allerdings, dass die persönliche Kommunikation immer weniger werde. Außerdem machten komplexere Anwendungen immer häufigere Hilfsmittelanpassungen nötig. Das zwinge blinde und sehbehinderte Beschäftigte dazu, sich ständig Neues anzueignen, und es gebe Probleme in Bezug auf Barrierefreiheit.

Um hier unterstützen zu können, müsse mit den Teams am jeweiligen Arbeitsplatz zusammengearbeitet werden; dazu sei Überzeugungsarbeit im Betrieb nötig.

Skepsis und Aufgeschlossenheit

Dabei ist die Entwicklung im Hinblick auf die Unternehmensart und -größe durchaus unterschiedlich, wie aus dem Podium ergänzt wurde: Gerade Großunternehmen suchen häufig von sich aus Beratung und Unterstützung, um behinderte Beschäftigte zu inkludieren. Start-Ups seien aufgeschlossen; schwierig sei oft die Ansprache von kleineren und mittleren Unternehmen.

Kommen die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Teilhabe bei den Betroffenen an?

Es gebe einen Dschungel an Teilhabeleistungen, und es sei umfassende Beratung erforderlich, um zielführend vorgehen zu können. Das Antragsverfahren müsse entscheidend verkürzt und vor allem barrierefrei gestaltet werden.

Barrierefreiheit umfassend betrachten

An dieser Stelle wurde besonders darauf hingewiesen, dass Barrierefreiheit als ein grundsätzliches Erfordernis zu betrachten sei. Sie ist nicht nur bei individuellem Bedarf im Einzelfall zu schaffen, sondern sollte als Qualitätsmerkmal eine allgemeine Anforderung darstellen. Es gelte, die soziale Dimension der Barrierefreiheit zu berücksichtigen.

Allerdings scheine es manchmal so, dass es am Willen des Gesetzgebers zur konsequenten Umsetzung der Barrierefreiheit mangelt.

Weiterbildung und Prüfungen

In Bezug auf inklusive und barrierefreie Weiterbildung sei seit langem ein struktureller Stillstand zu beobachten. Das gelte für die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an der Weiterbildung ebenso wie an der Beratung zur Weiterbildung und dem Vorhandensein barrierefreier Angebote. Das Thema müsse dazu auch in den Betrieben starkgemacht werden, wobei alle Beschäftigten mitgenommen werden müssten.

Für Prüfungen schwerbehinderter Menschen seien zwar Nachteilsausgleiche vorgesehen, die aber oft nicht genutzt würden. Prüfer*innen müssten sensibilisiert und für den Umgang mit behinderten Menschen in Prüfungen qualifiziert werden.

Es gelte, auch überbetriebliche Unterstützungsstrukturen so zu optimieren, dass behinderte Menschen entlastet werden, die gegenüber Bildungsanbietern oft als Expert*innen in allen Fragen der Barrierefreiheit auftreten müssten.

Entscheidend wichtig sei die Möglichkeit, am gesamten Angebot von allgemeinen  und beruflichen Weiterbildungen teilnehmen zu können – nicht nur an speziell für behinderte Menschen durchgeführten. Hierzu sei auf Seiten der behinderten Teilnehmer*innen Kompetenz im Umgang mit ihren Hilfsmitteln erforderlich, und Bildungsangebote sollten grundsätzlich barrierefrei gestaltet sein. Dies umso mehr, als Weiterbildungen das gesamte Team betreffen.

Begrenzte Aufstiegschancen

Weiterbildung und Aufstiegsfortbildungen sind der Schlüssel für zukunftssichere Beschäftigung und die berufliche Karriere. Zu konstatieren ist jedoch, dass es nur wenig behinderte Menschen in Führungspositionen gibt. Wichtig sei es hier, neben gezielter Förderung und einer inklusiven Weiterbildungskultur, das Augenmerk auch auf die subtilen Mechanismen im Berufsalltag zu legen, die eine berufliche Entwicklung dieses Personenkreises verhindern.

Evaluation

Um mehr Menschen mit Behinderung in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen, brauche es nicht nur Barrierefreiheit und die Bereitschaft, die Unternehmen diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen. Es fehle auch Wissen über den konkreten Nutzen bestimmter Maßnahmen, und es werde konsequente Evaluation gebraucht, um gezielter intervenieren zu können.

Arbeitsgruppen

AG 1: Neue Arbeitsformen und berufliche Teilhabe für blinde und sehbehinderte Erwerbstätige – Chancen und Erfordernisse

Die AG 1 wurde eröffnet mit Keynotes von JProf. Dr. Lena Hünefeld von der TH Dortmund, Fachgebiet Inklusion und Arbeit, und Otfrid Altfeld, Leiter des Zentrums für berufliche Bildung an der blista Marburg. Moderiert wurde die Arbeitsgruppe von Christoph Korte und Christian Axnick.

Flexibilisierung und Plattformarbeit

Es ist keine neue Erfahrung, dass die technische Entwicklung die Arbeitsformen bestimmt und die Arbeitsschutzanforderungen im Nachgang durchgesetzt werden müssen. In den von der Digitalisierung geprägten neuen Arbeitsformen können Agilität und Flexibilisierung einerseits den Zugang zu Arbeit erleichtern und zu größerer Eigenständigkeit führen, andererseits vergrößert sich der Druck und es entsteht die Angst, von relevanter Arbeit ausgeschlossen zu werden, wenn man sich nicht permanent neue Arbeitstechniken aneignet und Hochleistung liefert.

Weiter diskutiert wurde die Frage, ob Plattformarbeit eine neue Form für Beschäftigte mit einer Sehbehinderung ist, um an Arbeit zu kommen. Dazu wird erläutert, dass Plattformarbeit überwiegend als selbständige Tätigkeit oder als Freelancer stattfindet. Durch die selbstständige und selbstorganisierte Tätigkeit fehlt es manchmal an Arbeitsstandards und es wird eine hohe Flexibilität und technische Frustrationstoleranz von den Beschäftigten oder freiberuflich Tätigen verlangt. Bedenken hinsichtlich von Plattformarbeit richten sich auf Aspekte wie soziale Isolierung, Akkordarbeit, hohe technischen Anforderungen Kompetenzbedarfe und Ansprüche an die barrierefreien Zugänge der genutzten Plattformen.

Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt

Es wurde die These aufgestellt, dass sich der Arbeitsmarkt von einem „Arbeitgebermarkt“ zu einem „Arbeitnehmermarkt“ wandele. Dazu wurde ausgeführt: Was sich konkret auf dem Arbeitsmarkt ändere, seien die Kompetenzanforderungen an die Beschäftigten, besonders hinsichtlich der Lernfähigkeit und Lernbereitschaft. Den größten Einfluss habe  auch hier die fortschreitende Digitalisierung: So müssen sich die Beschäftigten z.B. auf neue Kommunikationsform innerhalb des Betriebes und am Arbeitsplatz einstellen.

Darüber hinaus wird von den Beschäftigten oft verlangt, in gleichem Maße in „alten“ und „neuen“ Strukturen arbeiten zu können, da keine Firma völlig agil arbeite – es gebe immer wieder auch Tätigkeiten, die linear ablaufen und nicht dynamisch angelegt werden können.

Diskussion

Wie können Chancen genutzt, Risiken und negative Folgen vermieden werden? Die Umgestaltung darf sich nicht nur an technisch-digitaler Logik orientieren. Sie muss unter Einbeziehung der Beschäftigten erfolgen; dabei müssen Mensch, Technik und Arbeitsorganisation im Zusammenhang betrachtet werden.

Dabei muss den Akteuren der betrieblichen Mitbestimmung eine besondere Rolle zu kommen, v vor allem wenn es um Anschaffung von Software oder IT-Systemen geht, die barrierefrei nutzbar sein müssen. Für die sachgerechte Wahrnehmung diesbezüglicher Aufgaben brauchen sie mehr Wissen, Information und Beratung.

Ausbildung und Arbeitsmarkt sind zwei Realitäten. Häufig können gewohnte Arbeitsmittel und Hilfsmittel nicht eingesetzt werden, die zur Ausbildung selbstverständlich zur Verfügung gestanden haben.

AG 2: Weiterbildung und berufliche Entwicklung von blinden und sehbehinderten Berufstätigen

Die Impulse für die AG 2 lieferten Dr. Sabrina Weller vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn und Dr. Sabine Lauber-Pohle, Philipps-Universität Marburg. Herbert Rüb vom Projekt aqnes@work leitete die AG ein.

Präsentationen

Handlungsbedarf

Fort- und Weiterbildung sind Schlüsselfaktoren für Beschäftigung und dauerhaften Erfolg im Beruf. In gesamtgesellschaftlicher Hinsicht kann ihre Bedeutung als vierte Säule im Bildungssystem nicht hoch genug eingeschätzt werden, insbesondere angesichts der Veränderungen der Arbeitsprozesse und in Bezug auf Beschäftigungschancen bei weitergehender Digitalisierung.

Die Bundesregierungen der vergangenen und laufenden Legislaturperiode haben daher die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) initiiert. Die NWS zielt vor allem auf strukturelle Veränderungen, bessere Informationsbereitstellung und Zugänglichkeit zu Weiterbildung sowie Anpassungen bei den Zugangs- und Fördermöglichkeiten für besondere Zielgruppen. Dabei wird neben Personen mit geringer oder nicht ausreichender formaler Qualifikation vor allem an Menschen mit Zuwanderungshintergrund gedacht. Es ist nicht zu bestreiten, dass diese Gruppen die gesellschaftliche Aufmerksamkeit verdienen. In den bisherigen Verlautbarungen der NWS findet man aber die Gruppe der Menschen mit Behinderungen nicht oder nur im Kontext allgemeiner Aussagen hinsichtlich Inklusion. Dabei bedeuten Digitalisierung oder auch sonstige Innovationen am Arbeitsplatz doppelten Aufwand: Auseinandersetzung mit der (digitalen) Innovation plus die Herausforderung, sie mit behinderungsspezifischer Arbeitsplatzausstattung zu bewältigen.

Daher besteht hier großer Handlungsbedarf. Nach den Angaben des 3. Teilhabeberichts der Bundesregierung aus dem Jahr 2021 hat die Beteiligung von Menschen mit Behinderung an der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung in den letzten Jahren zwar leicht zugenommen; dennoch liegt sie deutlich unter dem Anteil von Menschen ohne Behinderung.

Warum nehmen Menschen mit Behinderung seltener an beruflicher Weiterbildung teil? Vor welchen Herausforderungen stehen sie bei einer Teilnahme? Warum sind Weiterbildung und Erfahrungslernen, auch im internationalen Austausch, für blinde und sehbehinderte Menschen besonders wichtig? Was kann getan werden, um ihre Beteiligung an der allgemeinen oder beruflichen Bildung zu erhöhen oder zu verbessern? Diesen Fragen wurde in einem Dreischritt nachgegangen: Zwei Expert*innen führten in kurzen Statements in die Thematik, an die sich dann ein Fachgespräch und schließlich eine gemeinsame Plenumsrunde anschlossen.

Lebenslanges Lernen und Inklusion

Frau Dr. Lauber-Pohle von der Philipps-Universität Marburg ging in ihrem Statement auf die grundlegenden Bedingungen einer individuellen Teilnahme von Menschen mit Behinderungen an allgemeiner Weiterbildung ein und richtete dabei auch den Fokus auf die Erfordernisse bei den Bildungsanbietern und dem Lehrpersonal.

In der allgemeinen Erwachsenenbildung wird oftmals lebenslanges Lernen gefordert, Inklusion jedoch selten mitbedacht. Zusätzlich zeigte sich bereits, dass der Inklusionsfokus bei Bildungsanbietern für die Erwachsenenbildung, wie z.B. VHS, in die Nachhaltigkeitsdiskussion mit aufgeht und selbst nicht mehr nach außen vertreten wird.

Lebenslanges Lernen ist eine Möglichkeit mit dem Umgang mit Krisen, wie z.B. der Erfahrung einer Beeinträchtigung. Neben dem rehabilitativen und beruflichen Lernen werden häufig allgemeine Weiterbildungsinteressen wenig beachtet, obwohl sie für die Selbstbestimmung essenzieller Bestandteil sind. Der Organisationsaufwand für inklusive Angebote ist oftmals enorm, da oft nachträglich versucht wird, vorhandene Angebote inklusiv umzugestalten. Falls Angebote nicht nutzbar sind, so stimmt die Passung zwischen Adressatenkreis und Bildungseinrichtung nicht mehr und behindert die Teilnahme. An dieser Stelle kann Inklusion die Passung vereinfachen. Zusätzlich sollte Inklusion als Lerngegenstand für alle Kursteilnehmenden sein, damit anschließend die Inklusion von Teilnehmenden mit Behinderung in den Kurs wirklich erfolgen kann. Barrierefreiheit und Inklusion müssen zentrale Ansprüche der allgemeinen und beruflichen Bildung sein.

Der internationale Aspekt

Frau Dr. Weller von der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung berichtete in ihrem Statement über Praxiserfahrungen anhand von Erfahrungen von Teilnehmenden mit Behinderungen aus dem internationalen Austausch.

Berufsbildung ist also nicht nur ein rein nationales Thema, sondern muss auch europäisch (z.B. über Erasmus+) vorangetrieben werden. Dabei wird bewusst ein breiter Inklusionsbegriff gewählt, um alle Gruppen anzusprechen, die bislang nicht am Programm teilhaben konnten. Dabei soll die europäische Bildung über Lernmobilitäten und Förderung gestärkt werden. Erfahrungen von Teilnehmenden mit Behinderung zeigten, dass europäische Berufsbildung einen Mehrwehrt für alle Teilnehmenden hat.

Diskussion

Um die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Weiterbildung zu erhöhen, müssen die Interessen der Menschen und der Betriebe gezielt angesprochen werden. Neben der barrierefreien und inklusiven Durchführung der Angebote ist es wichtig, dass die Angebote zeitlich und ökonomisch konstant angeboten werden. Teilnehmende mit Behinderung wollen nicht die Lehrenden im Hinblick auf eine inklusive, barrierefreie Methodik und Didaktik unterrichten müssen. Ängste, die von einer Beteiligung abhalten können, müssen in der Weiterbildungsberatung oder im Kurs angesprochen werden.

Die Weiterbildung von Lehrenden im Hinblick auf eine inklusive Didaktik und Methodik ist ein unbedingtes Muss. Sie sollte gleichrangig neben der fachlichen Weiterbildung des Lehr- und Ausbildungspersonals stehen. Beim Einsatz von digitalen Tools und Programmen ist auf Barrierefreiheit zu achten, Input und Output sollten technisch so voreingestellt sein, dass sie keine nicht-barrierefreien Formate erzeugen. Dadurch reduziert sich auch der Stress für Lehrende.

Das Personal in der Weiterbildungsberatung sollte hinsichtlich der besonderen Anforderungen von Menschen mit Behinderungen qualifiziert sein. Eine Vernetzung zwischen privater und beruflicher Bildung kann Selbstvertrauen aufbauen, was wiederum der beruflichen Teilhabe zugutekommen kann. Manchmal ist in der allgemeinen Weiterbildung der Lerninhalt nicht der alleinige Grund für die Teilnahme, sondern das Treffen der Gruppe. Durch diese Gruppenbindung erfolgt kontinuierliche Weiterentwicklung von Wissen und der Kompetenz bezüglich des Lerngegenstands. Eine barrierefreie Online-Präsenz zum Finden inklusiver Angebote scheint bei der Vielzahl an unübersichtlichen Angeboten notwendig zu sein.

AG 3: Digitalisierung und Barrierefreiheit

Die Keynotes der AG 3 stammen von Dr. Dorothee Meyer, Leibnitz-Universität Hannover, und Detlef Girke, BITV-Consult Würzburg. Die Arbeitsgruppe betreute Frauke Onken vom Hessischen Rundfunk.

Präsentationen

Technische Barrierefreiheit: notwendig, aber nicht hinreichend

Im Zentrum der Betrachtungen zur Beschäftigung von Personen mit Beeinträchtigungen müssen immer die Menschen selbst und nicht etwa technische Aspekte wie Digitalisierung oder Barrierefreiheit stehen. Der entscheidende Grund hierfür ist, dass Barrierefreiheit und Digitalisierung immer nur notwendige, keinesfalls aber hinreichende Bedingungen für gelingende berufliche Inklusion sein können.

Positive Aspekte der Digitalisierung aus der Perspektive von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung sind:

  • Sinnvoll organisiert, sollte Digitalisierung dazu führen, dass fast alle Informationen in maschinenlesbarer Form vorliegen, wodurch sie entweder von sich aus barrierefrei sind oder mit geringem Aufwand barrierefrei gemacht werden können.
  • Richtig angewendet, kann Digitalisierung darum zu reduziertem Assistenzbedarf führen.
  • Umsichtig angewendet, kann Digitalisierung Teamarbeit fördern.

Sowohl in den Köpfen der Betroffenen als auch bei den Unterstützungsakteuren und insbesondere bei den Kostenträgern herrscht nicht selten die Erwartung, Digitalisierung führe automatisch zu Barrierefreiheit und somit zu reduziertem Assistenzbedarf. In der Praxis ist zuweilen aber genau das Gegenteil der Fall: Unzugängliche Hard- und Software bauen neue Barrieren auf, die im Endeffekt den eigenständigen Handlungsspielraum von schwerbehinderten Beschäftigten einschränken und dadurch das notwendige Maß an Assistenz nicht vermindern, vielmehr in einigen Fällen sogar steigern.

Selbst wenn – oder vielleicht gerade dann, wenn – Digitalisierung mit Barrierefreiheit einhergeht, schafft dies nicht nur Autonomie, sondern erfordert auch Eigenverantwortung und Selbstverwaltung. Beispiel: Juristinnen und Juristen müssen ihre Schriftsätze mit Hilfe von Diktiersoftware und Dokumentvorlagen zunehmend selbst verfassen, Schreibdienste fallen weg. Autonomie und Selbstverwaltung können jedoch nicht bei allen berufstätigen Menschen mit Behinderung vorausgesetzt werden – vor allem nicht ohne adäquate Fort- und Weiterbildung!

Wenn Assistenz nicht formell geregelt ist, geht sie oft informell in die Verantwortlichkeit hilfsbereiter Kolleg*innen über. Die Tatsache, dass diese sich in der Pflicht sehen, technische Barrierefreiheitsmängel durch ihren persönlichen Einsatz auszugleichen, kann zu Spannungen und Konflikten führen – besonders dann, wenn diese Kolleg*innen den Eindruck haben (oder von oben signalisiert bekommen), dass sie ihre eigene Arbeit dabei vernachlässigen. Darum müssen solche Konfliktsituationen offen angesprochen werden. Und: Formell oder informell organisierte Assistenz im Zugriff zu haben, darf für Vorgesetzte kein Argument sein, sich nicht (mehr) um die Beseitigung technischer Barrieren zu kümmern.

Immer wieder wird auch argumentiert, Smartphone-Apps würden Assistenz größtenteils überflüssig machen. Manches kann aber durch Apps umgekehrt umständlicher werden, zum Beispiel: Eine nicht barrierefreie Zeiterfassungs-App kann aufwendiger zu handhaben sein als das händische Eintragen von Zeiten in eine Excel-Tabelle.

Keine beschäftigte Person mit Beeinträchtigung sollte gezwungen werden, statt auf eine menschliche Assistenz, auf eine Smartphone-App zurückgreifen zu müssen. Menschliche Assistenz kann – gerade bezüglich der Aspekte Mobilität und Anbahnung eines persönlichen Kontakts – beruflichen Stress mindern oder verhindern. Dies ist umso wertvoller, weil der Berufsalltag für Menschen mit Beeinträchtigung belastender ist als für unbeeinträchtigte Kolleg*innen.

Die Herstellung von Barrierefreiheit verursacht Kosten – und das umso mehr, je später im Entwicklungsprozess einer Software, einer Website oder eines Dokumentes damit begonnen wird. Wie viel Barrierefreiheit kosten darf, ist dabei oft eine unternehmenspolitische Entscheidung. Die Teilnehmenden der AG haben hier von unterschiedlichsten Erfahrungen berichtet, die das gesamte Entscheidungsspektrum abdecken – von: „die billigste Lösung wird eingekauft, egal, wie barrierefrei sie ist“ bis „Solange die Lösung nicht barrierefrei ist, wird sie immer wieder nachgebessert, egal was es kostet“. Deshalb wurde im Laufe der Arbeitsgruppe immer wieder betont:

  • Barrierefreiheit muss im Unternehmen „von oben“ kommen, also ausgehend von der Chef-Etage authentisch angegangen und konsequent umgesetzt werden.
  • Barrierefreiheit muss von Anfang an mitgedacht werden. Arbeitsplätze, die Barrierefreiheit erfordern, müssen bei Entscheidungen an den Anfang gestellt werden. Dann bleiben nur wenige Anforderungen übrig, die die übrigen Arbeitsplätze betreffen.

Ein Grund dafür, dass um das Thema Barrierefreiheit noch so oft ein Bogen gemacht wird, könnte darin liegen, dass alle Beteiligten zu verbissen und zu perfektionistisch an die Sache herangehen. Deshalb ist es wichtig, rund um das Thema Barrierefreiheit eine gute und offene Fehlerkultur zu etablieren.

Barrieren verhindern nicht nur, dass ein berufstätiger Mensch mit Behinderung die eigenen Potenziale entfalten und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann; sie lassen einen auch an den eigenen Fähigkeiten zweifeln: Wer seine Tätigkeit aufgrund technischer Barrieren lange Zeit nicht ausführen kann, wird zunehmend ungewisser, ob das eigene Wissen noch aktuell ist – oder man beobachtet, wie sich die Kolleg*innen weiterentwickeln und ist selbst von diesem Prozess ausgeschlossen. Deshalb müssen die existierenden Barrieren beseitigt und Berufstätige mit Behinderung auch die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten nutzen können, die ihre nichtbehinderten Kolleg*innen besuchen. Nur so kann es dazu kommen, dass sämtliche Kolleg*innen bezüglich einer Software „dieselbe Sprache sprechen“.

AG 4: Neue Chancen für Beschäftigung – Initiativen zur Gewinnung von Arbeitsplätzen

AG 4 wurde eröffnet mit Beiträgen von Nils Dreyer aus dem Projekt Inklupreneur und Jörg Stemmler vom Berufsförderungswerk Halle. Die Moderation lag in den Händen von Ursula Müller.

Präsentationen

Vorträge und Diskussion

Eröffnet der absehbare Fachkräftebedarf auch schwerbehinderten Menschen Beschäftigungsperspektiven? Hierzu gab es unterschiedliche Ansichten: Für die einen zeigt die aktuelle Situation der schwerbehinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt, dass sie nicht oder nur wenig vom aktuell hohen Fachkräftebedarf profitieren. Andere sehen in der Digitalisierung und der Entwicklung mobiler und Online-gestützter Arbeit neue Chancen – vor allem, wenn eine hohe fachliche Kompetenz gegeben ist. Dennoch wird es auch unter „guten“ Bedingungen besonderer Anstrengungen bedürfen, damit mehr Menschen mit Behinderungen dauerhaft in sinnstiftender Arbeit Beschäftigung finden.

Foto: Die Arbeitsgruppe 4 sitzt in einem Kreis und verfolgt den Vortrag von Nils Dreyer.

Das Projekt Inklupreneur versucht, Inklusion in Unternehmen durch Beratung, Vernetzjung und die Vermittlung von schwerbehinderten Beschäftigten voranzutreiben. Dabei werden ausgewählte Unternehmen, die eine Selbstverpflichtungserklärung zur Einstellung behinderter Menschen unterschrieben haben, vom Projekt begleitet.

In der praktischen Arbeit von Inklupreneur sind immer wieder unterschiedliche Sichtweisen aufgefallen. Von Personalverantwortlichen kam oft die Auskunft: Bei uns bewerben sich keine behinderten Menschen. Betroffene dagegen schilderten ihre Erfahrungen, wonach sie sich 20 bis 30 Mal bewerben, bevor sie überhaupt eingeladen werden.

Jörg Stemmler führte aus, dass Menschen mit einer erworbenen Sehbehinderung in einer anderen Situation sind als diejenigen, die seit Geburt seheingeschränkt sind. Er erläuterte die verschiedenen Aufgabenbereiche der Berufsförderungswerke. So gehe es etwa um Umschulungen, wenn Menschen aus mit einer Seheinschränkung nichtkompatiblen Berufen in einen neuen Beruf gebracht werden müssten. Der alte Arbeitsplatz sei dann verloren, und es gehe um Alltagsbewältigung unter den Bedingungen einer Behinderung, das Erlernen blindenspezifischer Techniken, aber auch um fachliche Kompetenzen, die eine Reintegration in den Arbeitsmarkt erlauben.

Wenn der Arbeitsplatz mit einer Seheinschränkung erhalten werden kann, sei die Beratung des Arbeitgebers ebenso wichtig wie das individuelle Training des Arbeitnehmers. Es müssten hier Tätigkeiten angepasst und Kompensationstechniken erlernt werden.

Oft seien Arbeitgeber unerfahren in der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, und es gebe keine Vorstellung von Einsatzmöglichkeiten, aber auch Angst vor Eingriffen in die IT oder Unsicherheiten der Kolleg*innen.

Aus Sicht der BFWs eröffnet ihre Arbeit Chancen:

  • In der beruflichen Reha befinden sich häufig Menschen mit Berufserfahrung,
  • Menschen bewerben sich aus der Maßnahme heraus, während im Hintergrund ist das BFW unterstützt,
  • Trainings für Beschäftigte, die genau angepasst sind, führen zu einer hohen Erfolgsquote,
  • Vorbehalte bei Arbeitgebern können abgebaut werden,

Allerdings gebe es auch Herausforderungen:

  • Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Berufsbereichen, die die Berufsförderungswerke in der beruflichen Rehabilitation abdecken können.
  • Antragsverfahren sind bürokratisch aufwändig.
  • Barrierefreiheit ist angesichts der Digitalisierungsprozesse eine große Herausforderung der nächsten Zeit, was ggf, nur ein Reagieren auf IT- Neuerungen in nächster Zeit ermöglicht.
  • Die vorgegebenen Ausbildungsinhalte passen ggf. nicht zu den Anforderungen der fortschreitenden Digitalisierung.

In der Diskussion wurden für die Zukunft u.a. folgende Erfordernisse herausgestellt:

  • Entwicklung einer inklusiven Beschäftigungs- und Weiterbildungskultur in den Unternehmen durch Good Practice, Beratung, Weiterbildung und finanzielle Anreize.
  • Inklusives Coaching von Unternehmen und ihren Teams.
  • Barrierefreie Gestaltung des Arbeitsplatzes und -umfelds.
  • Abbau bürokratischer Hemmnisse und Zeitverzögerung bei den Nachteilsausgleichen.
  • Vernetzung der lokalen und regionalen Unterstützungsakteure, um die Leistungserbringung für die schwerbehinderten Beschäftigten und die Unternehmen zu optimieren.

Ausblick

Die Diskussionen der Tagung haben den umfassenden Ansatz von agnes@work bestätigt: Im Zentrum der Auseinandersetzung um berufliche Teilhabe müssen die Menschen stehen, nicht technische Aspekte – Barrierefreiheit ist eine notwendige, keinesfalls eine hinreichende Bedingung für berufliche Inklusion. Wichtig ist, die soziale Dimension der Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Sie ist immer Teil eines komplexen Geflechts – am Arbeitsplatz oder in Bildungsveranstaltungen – und erschöpft sich nicht im Abarbeiten technischer Kriterien.

Alle Beteiligten brauchen Unterstützung durch Aufklärung und Beratung; es braucht Multiplikatoren in den Betrieben ebenso wie überbetriebliche Unterstützungsstrukturen. Dazu gehören allerdings auch Durchsetzungsmechanismen für die bestehenden gesetzlichen Vorgaben.

Es bleibt eine Frage, die uns noch länger beschäftigen wird: Wie überwinden wir den Widerspruch zwischen dem großen Engagement, das immer wieder einzelne Unternehmen oder Bildungsanbieter hinsichtlich der Inklusion zeigen, und dem gleichzeitigen strukturellen Stillstand bei der beruflichen Teilhabe der schwerbehinderten Menschen?