Infobrief: Unterstützung für die erfolgreiche Interessenvertretung sehbeeinträchtigter Menschen
(Nr. 2/2022, Dezember 2022)
Liebe Leserinnen und Leser,
laut Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte. Grund: Viele Arbeitnehmer der sogenannten Babyboomer-Jahrgänge gehen bald in Rente. Deshalb hat das Bundeskabinett im Oktober 2022 seine Fachkräftestrategie beschlossen. Schwerpunkte sind die Handlungsfelder Aus- und Weiterbildung, Arbeitspotenziale und Erwerbsbeteiligung, Arbeitsqualität und Arbeitskultur sowie Zuwanderung. Wieder einmal vergessen wurden Menschen mit Behinderung. Irritierend, schlummert doch gerade unter dieser Personengruppe viel ungenutztes Potenzial. Deshalb fragt der Infobrief Interessenvertretung in seiner aktuellen Ausgabe: Warum nicht schwerbehinderte Menschen beschäftigen und damit ihre Erwerbsquote erhöhen? Wir liefern Ihnen Zahlen und Argumentationshilfen, insbesondere für die Beschäftigung von Menschen mit Seheinschränkung.
Sie haben die bisherigen Ausgaben des Infobriefs Interessenvertretung verpasst? In unserem Archiv können Sie sie nachlesen.
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Inhaltsübersicht:
- Zahlen
- Rechtliches: Berufliche (Wieder-)Eingliederung
- Teilhabebericht der Bundesregierung
- Fünf Gründe für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
- Rat und Hilfe
- Unterstützung am Arbeitsplatz
- Weiterbildungsberatung
- Neue Ausschreibung
- „Mit dem Teilhabechancengesetz zum Traumjob“
- Fachtagung 2023
- Linktipps
1. Zahlen
- In Deutschland leben zirka 1,2 Millionen Menschen mit einer Sehbehinderung.
- Darunter sind etwa 54.000 hochgradig sehbehinderte und zirka 47.000 blinde Menschen im erwerbsfähigen Alter.
- In beiden Gruppen liegt die Beschäftigungsquote bei 26%.
- Die Weiterbildungsbeteiligung von schwerbehinderten Beschäftigten pro Jahr liegt bei zirka 5%, die von Personen ohne Behinderung bei 13%.
Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2016.
2. Teilhabebericht der Bundesregierung
Der dritte Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen schwerbehinderter Menschen aus dem Jahr 2021 informiert über grundlegende Daten zum Thema Behinderung sowie über verschiedene Lebensbereiche, darunter Erwerbstätigkeit. Nachfolgend einige Ergebnisse.
Grunddaten:
- Im Jahr 2017 zählten 13,04 Millionen Personen zur Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigungen. Für den Zeitraum 2009 bis 2017 ergibt sich ein Zuwachs um 9 %.
- Die Anzahl der Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung stieg dabei stark an (+ 9 %), bei Frauen stärker als bei Männern.
- Ursache ist neben der demographischen Entwicklung insbesondere ein Anstieg bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
- Besonders stark hat die Anzahl der Menschen mit Beeinträchtigungen und einem Migrationshintergrund zugenommen, und zwar um 30 % zwischen 2009 und 2017.
Bildung und Ausbildung:
- In der beruflichen Bildung stagniert die Zahl der Auszubildenden mit Beeinträchtigungen weitgehend. Die Anzahl der Auszubildenden mit anerkannter Schwerbehinderung ist seit 2014 um 7,7 % gestiegen. Ihr Anteil an allen Auszubildenden blieb jedoch unverändert und lag im Jahr 2017 bei 0,7 %.
Erwerbstätigkeit:
- Die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen ist erheblich geringer als diejenige von Menschen ohne Beeinträchtigungen. Obwohl die Erwerbstätigenquote gegenüber dem Jahr 2009 gestiegen ist, waren im Jahr 2017 von den Menschen mit Beeinträchtigungen 53 % erwerbstätig, während es von den Menschen ohne Beeinträchtigungen 81 % waren.
- Die Arbeitslosenquote von Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung ist von 13,4 % im Jahr 2015 auf 11,2 % im Jahr 2019 gesunken. Damit lag sie jedoch nach wie vor deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote von 6,5 % im Jahr 2019.
Quelle: REHADAT
3. Rechtliches: Berufliche (Wieder-)Eingliederung
Hinsichtlich der (Wieder-) Eingliederung geben sich die Arbeitsagenturen, die Renten- und die Unfallversicherung in ihren jeweiligen Sozialgesetzbüchern (SGB) hilfsbereit. Für die Antragstellung sind unterschiedliche Stellen zuständig, beispielsweise für zeitlich befristete Gehaltszuschüsse an Arbeitgeber. Wo der entsprechende Antrag auf Eingliederungszuschuss gestellt wird, hängt vom zuständigen Kostenträger des betreffenden schwerbehinderten Menschen im Fall seiner Erwerbslosigkeit ab.
Mehr Informationen finden Sie in der DVBS-Broschüre „Antrag auf…“.
Rechtsberatung für Betroffene bietet die Rechte behinderter Menschen gGmbH (rbm).
Unterstützung bieten auch die Integrationsfachdienste (IFD), im Rheinland insbesondere der IFD Sehen.
4. Fünf Gründe für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
Arbeitgeber haben häufig Vorbehalte bei der Einstellung eines schwerbehinderten Menschen. Zu teuer, zu unflexibel, ineffizient, unkündbar – so einige, durchaus widerlegbare Vorurteile. Doch es gibt auch gute Gründe für die Einstellung einer Kollegin oder eines Kollegen mit Behinderung:
- Behinderungsbedingte Einschränkungen lassen sich durch technische Hilfsmittel oder die Einstellung einer Arbeitsassistenz kompensieren.
- Die meisten behinderten Menschen sind hochmotiviert und engagiert.
- Beschäftigte mit Behinderung bringen ihren eigenen Erfahrungshorizont und damit neue Perspektiven ins Team ein.
- Viele Menschen mit Behinderung sind Improvisationskünstler. Da sie sich in einer Welt zurechtfinden müssen, die nicht auf sie zugeschnitten ist, gehen sie häufig flexibel mit unerwarteten Situationen um.
- Der Arbeitgeber erhöht die Diversität seiner Belegschaft.
5. Rat und Hilfe
Sie suchen Auszubildende oder Mitarbeiter*innen mit Handicap? Wenden Sie sich beispielsweise an die Deutsche Blindenstudienanstalt (blista) in Marburg. Das dortige Beratungs- und Schulungszentrum ist Ihr kompetenter Ansprechpartner.
Beratungs- und Schulungszentrum der blista
Biegenstraße 20 1/2, 35037 Marburg
Telefon: 06421 606-500, E-Mail: rehaberatung@blista.de
Weitere Informationen auf der blista-Webseite.
6. Unterstützung am Arbeitsplatz
Bei Problemen am Arbeitsplatz oder der Beschäftigung von Personen mit Behinderung bietet das DVBS-Projekt agnes@work kompetente Unterstützung an. Telefon: 06421 94888-33, Mail: agnes@dvbs-online.de.
Mentoring
Berufserfahrene Mentorinnen und Mentoren unterstützen und coachen ehrenamtlich weniger erfahrene, meist jüngere Mentees. Vom gegenseitigen Austausch profitieren beide. Mehr in unserem Informationsblatt zum Mentoring.
7. Weiterbildungsberatung
agnes@work berät Ratsuchende zu den Themen Weiterbildung und berufliche Neuorientierung. Dazu zählen Fragen rund um Fortbildung, assistive Techniken am Arbeitsplatz oder digitale Barrierefreiheit.
Unser Beratungstelefon ist donnerstags von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr besetzt. Interessierte melden sich in dieser Zeit unter 06421 94 888-33.
8. Neue Ausschreibung
agnes@work schreibt einen neuen Dienstleistungsauftrag aus: Erstellung eines E-Learning Selbstlernkurses zum Thema „Moderne Arbeitsweisen und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigung von Menschen mit Seheinschränkungen“. Angebotsfrist: 13.01.2023. Wir freuen uns über interessante Angebote!
9. „Mit dem Teilhabechancengesetz zum Traumjob“
Marcus Grebe (49) ist sehbehindert und Video Producer bei einem Marburger Arbeitsmarktdienstleister. Seine Anstellung erfolgt mittels Förderung durch das Teilhabechancengesetz. agnes@work hat ihn für die aktuelle Ausgabe der DVBS-Zeitschrift horus interviewt (Inhaltsverzeichnis der neuen Ausgabe). Bei Interesse schreiben Sie eine Mail an agnes@dvbs-online.de. Wir schicken Ihnen das Interview gerne als PDF zu.
10. Fachtagung 2023
Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und sein Projekt agnes@work veranstalten am 25. April 2023 die Fachtagung „Perspektiven der digitalen Arbeitswelt – Beschäftigungs- und Weiterbildungschancen für Menschen mit Behinderungen“.
Ausführliche Informationen zur Fachtagung mit Anmeldung finden Sie auf unserer Webseite.